Kanton Thurgau: Botschaft zur Justizorganisation verabschiedet

Der Regierungsrat des Kantons Thurgau hat zuhanden des Grossen Rates die Botschaft über die Änderung des Gesetzes über die Zivil- und Strafrechtspflege, der Verordnung des Grossen Rates über die Besoldung des Staatspersonals, des Einführungsgesetz zum Schweizerischen Zivilgesetzbuch sowie des Verantwortlichkeitsgesetzes verabschiedet.

Dabei geht es unter anderem um ausserordentliche Berufsrichterinnen und Berufsrichter oder um die Organisationsstruktur der Staatsanwaltschaft.

Im Dezember 2019 unterbreitete der Regierungsrat dem Grossen Rat verschiedene Gesetzesentwürfe und einen Verordnungsentwurf im Zusammenhang mit der damaligen Überprüfung der Justizorganisation. Eine vorgeschlagene Änderung des Gesetzes über die Zivil- und Strafrechtspflege (ZSRG) strebte unter anderem eine Lösung für die Schwierigkeiten an, die entstehen können, wenn Berufsrichterinnen oder Berufsrichter der Bezirksgerichte längere Zeit infolge Schwangerschaft und Mutterschaft, Erfüllung gesetzlicher Pflichten, Krankheit oder Unfall abwesend sind oder das Gericht durch ein ausserordentliches Verfahren den ordentlichen Betrieb nicht mehr gewährleisten kann. Schliesslich wurde eine neue Regelung verabschiedet, die festhält, dass der Grosse Rat auf Antrag des Obergerichtes für maximal zwei Jahre eine ausserordentliche Berufsrichterin oder einen ausserordentlichen Berufsrichter wählen kann. Das ganze Justizreformpaket trat am 1. Januar 2022 in Kraft.

In der Praxis zeigte sich jedoch bei einem Fall am Bezirksgericht Arbon, dass die Suche nach geeigneten Personen relativ schwierig ist und sich die geltenden Unvereinbarkeitsbestimmungen betreffend anwaltliche Tätigkeit und Zugehörigkeit zum Grossen Rat als hinderlich erweisen. Daher wurde eine Änderung vorgeschlagen und im Oktober 2023 in die Vernehmlassung gegeben. Der Regierungsrat hat die Anpassung des ZSRG zusätzlich genutzt, um ein Bundesgerichtsurteil bezüglich der Gewährleistung des doppelten Instanzenzuges im Zusammenhang mit der Ernennung eines Ersatzgerichtes durch das Obergericht umzusetzen. Nach einem Urteil des Bundesgerichts vom 24. Januar 2024 wurde der Kanton Thurgau zudem verpflichtet, ein kantonales Rechtsmittel bei Verantworlichkeitsprozessen im Bereich des Kindes- und Erwachsenenschutzrechtes zur Verfügung zu stellen, um die Anforderungen des Bundesgerichtsgesetzes zu erfüllen. Im Weiteren will der Regierungsrat die Aufsichtszuständigkeiten für die Friedensrichterinnen und Friedensrichter sowie die Organisationsstruktur der Staatsanwaltschaft anpassen. Die Einführung von Assistenzstaatsanwältinnen und Assistenzstaatsanwälten und von Untersuchungsbeauftragten für die Erledigung von einfacheren Straffällen macht auch eine Anpassung der Verordnung des Grossen Rates über die Besoldung des Staatspersonals notwendig. Dies wiederum ermöglicht es, einen Antrag des Verwaltungsgerichtes zur Aufhebung des auf 35 bis 60 Prozent beschränkten Beschäftigungsgrades für die übrigen Mitglieder des Verwaltungsgerichtes umzusetzen und die gegenüber den übrigen Mitgliedern des Obergerichtes tiefere prozentuale Einstufung aufzuheben. Zudem schlägt er eine Anpassung der Lohneinstufungen für die Angehörigen des Polizeikorps vor.

Die gesetzgeberischen Anpassungen (ZSRG und Besoldungsverordnung sowie Einführungsgesetz zum Schweizerischen Zivilgesetzbuch und Verantwortlichkeitsgesetz) sind so unterschiedlich, dass die einzelnen Änderungen aufgrund der fehlenden Einheit der Materie nicht in einem einzigen Erlass beschlossen werden können. Mit der Zusammenfassung in einer einzigen Botschaft zuhanden des Grossen Rates besteht jedoch die Möglichkeit, dass das Parlament die Gesetzesentwürfe zeitgleich behandelt. Sie stellt damit eine integrale Sichtweise und Behandlung sicher.

Im externen Vernehmlassungsverfahren gingen 27 Stellungnahmen ein. Im Grundsatz und grossmehrheitlich wurden die Änderungen begrüsst. Gegenüber dem Vernehmlassungsentwurf erfahren nur wenige Bestimmungen eine Änderung oder Präzisierung, zum Beispiel werden die Stellvertretungs- und Wählbarkeitsvoraussetzungen für die Friedensrichterinnen und Friedensrichter präzisiert oder die Limitierung des Jahrespensums für die ausserordentliche Berufsrichterin oder den ausserordentlichen Berufsrichter wird gestrichen.

Die Mehrheit der vorgeschlagenen Erlassanpassungen ist organisatorischer Natur ohne direkte finanziellen Auswirkungen. Die Schaffung eines doppelten innerkantonalen Instanzenzuges führt hingegen bei den betroffenen Gerichten zu kaum berechenbaren Mehrkosten. Die angedachte Schaffung eines zweiten Vizepräsidiums beim Obergericht wirkt sich mit Kosten von rund 11’000 Franken aus. Die beim Verwaltungsgericht beabsichtigte Erhöhung des Pensums eines teilamtlichen Gerichtsmitglieds von 50 auf 80 Prozent führt zu Mehrkosten von 68’987 Franken. Die vorgeschlagene Anpassung der Besoldung von 100 auf 105 Prozent bewirkt bei den vier teilamtlichen Gerichtsmitgliedern mit einem Pensum von 50 Prozent eine Erhöhung der Besoldung von 114’977 Franken auf 120’726 Franken. Beim teilamtlichen Gerichtsmitglied, das neu zu 80 Prozent tätig sein soll, führt die Anpassung der Besoldung zu einer Erhöhung von 183’964 Franken auf 193’162 Franken. In der Staatsanwaltschaft rechnet der Regierungsrat mit neuen Lohnkosten von 763’256 Franken. Die angedachte Änderung im Bereich der Justiz und Polizei hat vorerst keine finanziellen Konsequenzen.

 

Quelle: Kanton Thurgau
Titelbild: Symbolbild © Michael Derrer Fuchs – shutterstock.com






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